Der Surhuuser Kirchturm: eine schiefe Berühmtheit

Die Welt birgt faszinierende Bauwerke, von denen einige selbst Pisa in den Schatten stellen. Im ostfriesischen Suurhusen, einem beschaulichen Ortsteil von Hinte, ragt der Kirchturm von St. Martin schief empor und beanspruchte lange Zeit den Titel des schiefsten Turms der Welt. Inmitten dieser kleinen Gemeinde erzählt die schräge Silhouette des Turms eine Geschichte von Architektur, Tradition und einer einzigartigen lokalen Faszination.

Ein Schiefer Turm mit Historie

Der Kirchturm von Hinte-Suurhusen hat den Ort im Landkreis Aurich weltweit bekannt gemacht: Von 2007 bis 2022 trug der Suurhusener Kirchturm den Titel des schiefsten Turms der Welt und übertraf selbst den berühmten Turm von Pisa mit einem Neigungswinkel von 5,19 °. Mit einer imposanten Höhe von 27,37 Metern und einem Überhang von 2,47 Metern prägt dieser Turm die Silhouette von Suurhusen.

Im 15. Jahrhundert fand der Bau des Kirchturms auf einem Fundament aus Eichenpfählen statt, das lange Zeit vom Grundwasser umschlossen war. Mit der Absenkung des Grundwasserspiegels im 19. Jahrhundert begannen die Stämme zu vermodern und konnten dem Gewicht des Bauwerks nicht mehr standhalten. Diese Veränderungen führten dazu, dass der Turm sich zu neigen begann und bis 1925 bereits einen beeindruckenden Überhang von 1,13 Metern aufwies.

Im darauffolgenden Jahr erfolgte die Entfernung der Dachreiter mit Hahn und Kugel. Jedoch brachte erst eine Sanierungsmaßnahme in den 1980er Jahren eine erste Verbesserung. Um den Turmbereich zu stabilisieren, wurden Stahlbeton-Pfeiler in Bohrlöcher von 14 Metern Tiefe eingelassen. Einige Jahre später, als plötzlich Steinbrocken aus dem Turm fielen und der Giebel einzustürzen drohte, wurde das Dach entfernt, und der Giebel erhielt Verstärkung durch Stahlträger. Das weitere Absacken konnte 1996 erfolgreich gestoppt werden.

Über einen Zeitraum von 15 Jahren konnte Suurhusen vom weltweiten Interesse am Weltrekord profitieren. Jahr für Jahr pilgerten zahlreiche Gäste aus aller Welt nach Suurhusen, um einen Blick auf den schiefen Kirchturm zu werfen. Die steigenden Spendeneinnahmen ermöglichten schließlich die Wiederbelebung einer Bäckerei und eines Cafés. Interessanterweise beherbergte der Turm selbst einst sogar drei Glocken, von denen zwei ältere Exemplare umgeschmolzen wurden.

Die Vergangenheit der St.-Martins-Kirche

Die evangelisch-reformierte St.-Martins-Kirche in Suurhusen, auch bekannt als die Alte Kirche, wurde im 13. Jahrhundert auf einer Warft errichtet – viele Jahre vor dem berühmten Kirchturm. Das gotische Backsteingebäude trägt den Charakter einer Wehrkirche. Ursprünglich als Apsissaal ohne Turm, maß die Kirche damals 32 Meter in der Länge und 9,35 Meter in der Breite. Im 16. Jahrhundert diente ein hausähnlicher Toranbau, der heute nicht mehr erhalten ist, als Lateinschule für niederländische Flüchtlinge.

Beim Bau des Kirchturms musste aus Platzgründen das Kirchenschiff an der Westseite um ein Viertel verkürzt werden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden weitere Teile der Kirche abgerissen und durch neue ersetzt, darunter die Nordwand und die Apsis. Etwa 30 Jahre später begann der Turm sich stark zu neigen, was dazu führte, dass in den 1970er Jahren erwogen wurde, die Kirche aufzugeben. In dieser Zeit wurden die Orgel verkauft und die Fenster vernagelt, und die Kirche drohte zu verfallen.

Ein Jahrzehnt später wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Erhaltung der Kirche prüfte. Obwohl die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt bereits ein neues, modernes Gemeindezentrum errichtet hatte, starteten aufwändige Sanierungsarbeiten an der Kirche. Nicht nur der Turm wurde stabilisiert, auch die Kirche selbst erfuhr umfangreiche Renovierungen durch eine Gruppe engagierter Senioren. Im Jahr 1985 konnte die Kirche schließlich mit einem feierlichen Gottesdienst wiedereröffnet werden.

In der Kirche findet man bis heute ein Taufbecken aus Bentheimer Sandstein. Zwei Grabplatten mit Keulenkreuz und Rankenfries stammen noch aus der Zeit der Kirchenerrichtung. Interessierte Besucher können die Kirche im Rahmen von Führungen erkunden. Zusätzlich werden dort einzelne Gottesdienste, Trauungen und Beerdigungen abgehalten.

Suurhusen erkunden: Charme in der Umgebung

Neben dem faszinierenden Kirchturm eröffnet der Ort selbst mit seinen ruhigen, rot gepflasterten Gassen und charmanten Klinkerbauten die Möglichkeit zu entspannten Erkundungstouren. Hierbei lassen sich nicht nur die historischen Landarbeiterhäuser bewundern, sondern auch die malerische Umgebung genießen. Unmittelbar neben dem Kirchengelände erstreckt sich ein weitläufiger Sportplatz, an dem sich eine Bushaltestelle befindet. Diese wird stündlich bis zweistündlich von der Buslinie 410 angefahren, die den Ort mit Aurich und Emden verbindet.

Ein Fahrradweg erstreckt sich zwischen Suurhusen und dem Zentrum von Hinte, der eine bequeme Verbindung zwischen beiden Ortsteilen schafft. Auf diese Weise kann man mühelos das Hinter Tief sowie andere reizvolle Örtlichkeiten in der Umgebung erreichen. In der Nähe von Suurhusen laden das Große Meer bei Bedekaspel und die malerische Seehafenstadt Emden zu Erkundungen ein. Auch die idyllische Krummhörn mit ihren charakteristischen Warfendörfern liegt in greifbarer Nähe.

Suurhusen erleben: Ein Kurztrip zu Ostfrieslands schiefstem Geheimnis

Abschließend zeigt sich Suurhusen als faszinierendes Reiseziel, das weit mehr bietet als den einst schiefsten Turm der Welt. Die Kombination aus der Geschichte der St.-Martins-Kirche, den malerischen Gassen und der idyllischen Umgebung macht einen Besuch lohnenswert. Empfehlenswert ist eine Erkundungstour durch die rot gepflasterten Straßen, vorbei an historischen Landarbeiterhäusern und hin zu einem der reizvollen Plätze des Ortes.

Für einen besonderen Blick auf Suurhusen empfehle ich, wenn man im Zug von Emden nach Norddeich unterwegs ist, einen Fensterplatz auf der rechten Seite zu wählen. Hier öffnet sich ein beeindruckender Ausblick auf den schiefen Kirchturm, der selbst aus der Ferne seine einzigartige Geschichte erzählt. Suurhusen ist nicht nur ein Reiseziel für Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die die ruhige und einsame Schönheit Ostfrieslands entdecken möchten.

Quellen: Suurhuser Kirche, Wikipedia | Weg ist der Rekord: Suurhusens Turm ist nicht der schiefste, NDR

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